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Maria Mohr wagt eine kühne Konstruktion. In einer dramaturgisch äußerst kunstvoll und manchmal auch gewagt zusammengefädelten Doppelhelix, verwebt sie die Schicksale zweier Geschwisterpaare, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Es geht um Bruder-Schwester-Beziehungen im Himmel wie auf Erden, im irdischen wie im überirdischen Sinne, die sie zum Anlass nimmt, um über Freiheit, Glück und Erlösung zu reflektieren. Da ist zum einen ihr eigener Bruder, der starb, als er gerade 23 war, und auf der anderen Seite ihre Tante Ingrid, die Nonne wurde und ihr Leben Rafael, einem spanischen Mönch, der bis in die 1930er-Jahre lebte, verschrieben hat. Während Maria Mohr auf ihre Erinnerungen und ein paar Amateuraufnahmen zurückgreifen kann, hat Ingrid Rafael nie gekannt, aber eine Vision von ihm. In seinen Briefen, Zeichnungen und Gedichten glaubt sie einen Heiligen zu erkennen. Bruchstückhaft fügen sich die Biografien der beiden jungen Männer zusammen, die von Krankheit und der Nähe zum Tod geprägt sind, aber auch von radikaler Abwendung und Zuflucht in die innere Emigration. Der Bohemien, Architekt und Poet Rafael erwählte als den letzten Ort seines Daseins im Diesseits ein Trapistenkloster, wo das Schweigen die oberste Maxime ist. Der Bruder wollte nur ein paar Vogelfedern für seine letzte Reise. Mit ihrer feinsinnigen Gratwanderung zwischen experimenteller, dokumentarischer und poetischer Erzählweise gelingt es Maria Mohr, vor allem mit einer ungewöhnlichen Lesart von Religion, Reliquienverehrung und Auferstehung zu überraschen. (Conny Klauss)

english:
Maria Mohr is taking chances with the bold structure of her film, interlacing the fates of two pairs of siblings who couldn’t be more different in a highly sophisticated and sometimes quite daring dramaturgical double helix. Brother-sister relationships in heaven and on earth, in the mundane and the transcendental sense, are her starting point for reflections about freedom, happiness and redemption. There is her own brother, who died at the age of 23, and there is her aunt Ingrid, who became a nun and devoted her life to the Spanish monk Rafael, who died in the 1930s. While Maria Mohr has her memories and a few home movies, Ingrid never knew Rafael, only a vision of him. She believed that she recognised a saint in his letters, drawings and poems. The two young men’s fragmented biographies, both marked by sickness and closeness to death, but also by radical renunciation and inner emigration, gradually coalesce. The bohemian, architect and poet Rafael chose a Trappist monastery, where silence is the first rule, as the last place of his existence in this world, while her brother wanted only a few birds’ feathers for his last journey. In her subtle balancing act between experimental, documentary and poetic narrative styles, Maria Mohr manages to surprise above all by her unusual views on religion, the veneration of relics and resurrection. (Conny Klauss)

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